Adultismus steckt oft in kleinen Alltagssituationen und prägt, wie Kinder sich selbst wahrnehmen. Erfahre, wie wir Kinder respektvoll begleiten können, ihre Gefühle ernst nehmen und sie altersgerecht in Entscheidungen einbeziehen.
Stellen wir uns eine Szene vor, die wohl jede Familie kennt: Das Kind steht an der Supermarktkasse, die Augen auf die Süßigkeiten gerichtet, und sagt: „Ich will das.“ Die Eltern antworten knapp: „Nein.“ Auf das unvermeidliche „Warum?“ folgt oft nur: „Weil ich es sage.“
Auf den ersten Blick wirkt das harmlos, fast alltäglich. Doch hinter solchen Momenten verbirgt sich ein gesellschaftliches Muster, das wir Adultismus nennen.
Adultismus bedeutet, dass Kinder oder Jugendliche allein aufgrund ihres Alters abgewertet, kontrolliert oder nicht ernst genommen werden. Es zeigt sich in Worten wie: „Dafür bist du noch zu klein“, „Stell dich nicht so an“ oder „Mach kein Theater.“ Aber auch durch implizite Macht: „Weil ich dein Elternteil bin, hast du zu gehorchen.“
Solche Muster begegnen uns in Familien, in Schulen, auf Spielplätzen – überall dort, wo Erwachsene ihre Autorität über Kinder ausspielen.
Kinder, die immer wieder hören, dass sie „zu laut“ oder „zu wild“ sind, lernen, ihre eigenen Gefühle zu unterdrücken. Sie denken: „Ich bin zu viel“, „Meine Meinung zählt nicht.“ Diese Erfahrungen begleiten viele bis ins Erwachsenenalter: Sie verlieren den Zugang zu ihren Bedürfnissen und entwickeln ein Bild von sich selbst, das stark von äußeren Erwartungen geprägt ist.
Oft übertragen Eltern unbewusst ihre eigenen Kindheitserfahrungen auf den Umgang mit ihren Kindern. Wer selbst erlebt hat, dass Druck und Hierarchie den Ton angeben, neigt dazu, in Stresssituationen denselben Weg zu wählen.
Adultismus zu überwinden beginnt mit Bewusstsein. Es geht darum, die eigenen Muster zu erkennen und zu reflektieren, ohne sich selbst zu verurteilen.
Respekt bedeutet nicht, dass Kinder alles dürfen. Klare Grenzen sind nötig – wichtig ist die Art, wie sie vermittelt werden. Sie sollen schützen, Orientierung geben und nicht demütigen. Ebenso verdienen die Grenzen der Kinder Beachtung: Ein „Nein“ sollte ernst genommen werden, auch wenn es unbequem ist.
Adultismus ist nicht nur ein individuelles Thema. Er prägt unsere Sprache, Erziehung, Bildung und das Bild von Kindheit. Fremde Menschen, die Kinder ungefragt anfassen oder kritisieren, zeigen ebenso alltägliche Grenzverletzungen.
Wer hinsieht, erkennt, wie tief dieses Muster reicht. Erwachsene, die ihre eigenen Handlungen reflektieren, können Kindern auf Augenhöhe begegnen und ihnen helfen, selbstbewusste und verbundene Erwachsene zu werden.
Adultismus zu erkennen ist der erste Schritt. Danach geht es darum, Kinder respektvoll zu begleiten, ihnen Raum zu geben, ihre Gefühle zu leben und sie altersgerecht in Entscheidungen einzubeziehen. So lernen sie nicht nur Selbstwert und Selbstwirksamkeit, sondern wir alle gewinnen ein harmonischeres Miteinander – in der Familie und darüber hinaus.
Alles Liebe,
Deine Leonie