Heute wartet ein etwas anderer Blogbeitrag auf dich, in dem ich dich einladen möchte, deinen Blickwinkel zu verändern. Es soll kein Fingerzeig sein, sondern dich bewusst ein wenig piksen und dich so dazu einladen, Dinge zu verändern. Veränderung beginnt zuerst mit einem neuen Bewusstsein und geschieht gleichzeitig nicht von heute auf morgen. Oft haben wir einen inneren Druck, Dinge sofort ändern zu wollen – gerade wenn uns eine Situation immer und immer wieder begegnet. Diese Folge soll dich auch dazu einladen, kurz innezuhalten, eine neue Perspektive zu entwickeln und dir das Vertrauen zu schenken, dass du die Lösung bereits in dir trägst. In diesem Sinne viel Freude beim Lesen!
Was wir von Gandhi übers Elternsein lernen können
Heute soll es, wie bereits angekündigt, darum gehen, dass du einen neuen Blickwinkel auf deine Familiensituation bekommst. Ich bekomme in der Regel sehr viele Anfragen, die ungefähr so lauten: „Was soll ich machen, wenn mein Kind wütend ist?“ „Wie soll ich darauf reagieren, wenn mein Kind lügt?“ „Was soll ich machen, wenn mein Kind keine Zähne putzen möchte?“ „Was mache ich, wenn mein Kind nicht hört?“ Ich könnte jetzt noch Unmengen an Fragen aufzählen. All diese Fragen tragen dieselbe Kernbotschaft in sich, und zwar: Ich habe ein Problem, eine immer wiederkehrende Situation, und möchte, dass es sich verändert, und daher die Frage: Was mache ich in der Situation, um eine Lösung für diese Situation zu finden?
Das Ding ist allerdings: Es gibt nicht die eine Lösung für eine bestimmte Situation!
Was meine ich damit? In einer Familie gibt es viele Dynamiken, es geht viel um die Beziehung zwischen den einzelnen Familienmitgliedern. Eine Situation, die für dich mit deinem Kind problematisch ist, wird vielleicht für den anderen Elternteil nicht so sein und umgekehrt, oder auch in Bezug auf andere Betreuungspersonen wie Kindergarten, Schule oder Großeltern. Warum? Weil du dich mit allem, was du bist und hast, in eine Situation einbringst, und gleichzeitig ist eure Beziehung in jeder Situation vorhanden.
Nehmen wir mal ein Beispiel: Du bist einkaufen, dein Kind liegt irgendwann auf dem Boden und weint, weil es nicht bekommt, was es möchte. Die Frage ist: „Was soll ich jetzt tun, wenn mein Kind auf dem Boden liegt und weint?“ Klar kann ich dir jetzt super viele Strategien an die Hand geben, was du tun kannst, um emotional auf das Kind einzugehen oder wie du in dem Moment ruhig bleiben kannst und ganz bei dir bleiben kannst. Da gibt es super viele Möglichkeiten. Der Punkt ist allerdings, dass es keine dauerhafte Lösung für dich ist. Denn die Situation wird wiederkehren. In dem Moment, wo ich mein Verhalten in einer Situation verändere, ändert das ja nicht die Ursache der Situation. Wir müssen uns also die Situation genauer ansehen: „Wie kam es überhaupt dazu?“, „Wie ging es dir damit?“, „Warst du vielleicht im Stress oder in Gedanken?“ Und wie ist eure Beziehung zueinander?
Zum Thema stressfreies Einkaufen gibt es bereits einen Blogbeitrag. Solltest du noch tiefer in das Thema einsteigen wollen, beschreibe ich dort unter anderem, wie wichtig es ist, das Thema Einkaufen schon im Vorfeld ganz anders anzugehen. Genauso ist es auch beim Thema: Ich habe morgens Stress, pünktlich mit dem Kind aus dem Haus zu kommen. Die Situationen sind immer und immer wieder die gleichen, und wie bringe ich denn mein Kind dazu, dass es nicht trödelt, dass es sich anzieht? Das ist nicht der Punkt, an dem wir ansetzen sollten, sondern vielmehr: Was brauche ich morgens, um mein Kind so begleiten zu können, wie es das braucht? Brauche ich morgens vielleicht noch Zeit für mich? Oder brauche ich Unterstützung vom anderen Elternteil? Oder gibt es Dinge, die wir an unserem Tagesablauf ändern können, zum Beispiel die Bettgehzeit? Oder gibt es ganz andere Aspekte, die hier mit hineinspielen?
Vielleicht bekommst du nun schon eher ein Gefühl dafür, was ich meine, wenn ich sage, den Blickwinkel zu verändern.
Wenn mein Kind viele heftige Wutanfälle hat und ich wissen möchte: „Wie kann ich darauf reagieren? Was kann ich meinem Kind sagen, wenn es in einem Wutanfall ist?“, dann macht es Sinn, dich zu fragen: „Was hast du denn für eine Geschichte mit der Wut?“ „Was macht es mit dir, wenn dein Kind wütend ist, und warum denkst du, dass es ein Problem ist, dass diese Wut da ist?“ „Vor allem, was ist denn mit dir und deiner Wut?“ Wenn du möchtest, dass dein Kind lernt, mit seiner Wut umzugehen, fang selbst an, mit deiner Wut umzugehen. Fühlst du deine Wut? Oder denkst du, du hast jetzt keine Zeit und musst sie wegschieben? Das ist ein enormer Unterschied. Dann brauchst du keine Tipps und Strategien. Beginne, dich selbst zu reflektieren und auch mit deinem Kind darüber zu sprechen. Das macht dich authentisch.
Ich habe neulich ein Hörbuch gehört, und ich weiß nicht, ob diese Geschichte der Wahrheit entspricht, doch auf jeden Fall ist sie sehr schön. Es geht darum, dass Mahatma Gandhi einmal von einer Mutter aufgesucht wurde mit der Bitte, ihrem Kind zu sagen, dass es keinen Zucker mehr essen soll, weil er ungesund ist. Mahatma Gandhi schickte die Mutter daraufhin weg und bat sie, in zwei Wochen wiederzukommen. Die Mutter war überrascht, folgte jedoch der Aufforderung und kam zwei Wochen später mit ihrem Kind wieder. Gandhi schaute das Kind an und sagte zu ihm: „Hör auf, Zucker zu essen!“ Daraufhin fragte die Mutter verwundert, warum er es erst jetzt gesagt habe und nicht schon vor zwei Wochen. Gandhi antwortete: „Ich habe doch selbst noch vor zwei Wochen Zucker gegessen. Also hörte ich auf, Zucker zu essen, um es dem Kind anraten zu können. Ich muss erst mit gutem Beispiel vorangehen, bevor ich anderen etwas raten kann.“
In dieser Geschichte liegt so viel Wahrheit. Denn wir erwarten, dass unsere Kinder doch endlich lernen sollen, mit ihren Gefühlen umzugehen, und gleichzeitig ist es doch nur verständlich, dass wir in unserem gestressten Alltag nicht mehr können und dann ausrasten. Warum sollten das die Kinder nicht auch dürfen? Wir müssen bei uns selbst anfangen. Nur wenn wir lernen, mit unseren Emotionen umzugehen, können wir es unseren Kindern vorleben und es ihnen so beibringen. Lerne, mit schwierigen Situationen umzugehen. Lerne, nach deinen Werten zu handeln und zu leben. Das wird einen viel größeren Effekt darauf haben, dass dein Kind nach deinen Werten lebt, anstatt es ihm einfach nur zu sagen.
Also, wenn du dich das nächste Mal fragst, was du in einer Situation tun sollst, welche konkreten Schritte du gehen sollst, dann schau eher hin: Wo liegt die Ursache dieses Themas, und warum ist es überhaupt ein Thema für mich?
Ich hoffe, die Art dieses Blogbeitrags hat dir gefallen und du konntest viel für dich mitnehmen. Sei geduldig mit dir. Wenn du dir Unterstützung wünschst, bin ich sehr gerne für dich da!
Alles Gute und eine schöne Woche dir!
Deine Leonie